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Landgericht Stuttgart verhandelt über Klagen gegen Porsche wegen Dieselaffäre

Schadenersatzklage gegen die Porsche Automobil Holding SE

Das Landgericht Stuttgart hat am 30.09.2016 die erste Schadensersatzklage eines sog. institutionellen Anlegers (hier Pensionsfonds) gegen die Porsche Automobil Holding SE verhandelt (Aktenzeichen LG Stuttgart 22 O 101/16). Die Verhandlung wurde vom Richter am Landgericht Dr. Fabian Reuschle geleitet. Der Vorsitzende hatte die Verhandlung sehr gut vorbereitet und erläuterte für die Parteien, die Öffentlichkeit und die erschiene Presse die durchaus komplexen fallrelevanten Probleme. Nach Informationen des Gerichts sind derzeit am Landgericht Stuttgart 146 Verfahren in dieser Angelegenheit gegen die Porsche Automobil Holding SE registriert. Das Klagevolumen entspricht derzeit ca. EUR 900 Mio. Neben institutionellen Anlegern haben auch knapp 500 Privatanleger geklagt. Diese werden maßgeblich von 9 Kanzleien vertreten. Die Porsche Automobil Holding SE wird von der Kanzlei Hengeler Mueller vertreten. LSS Rechtsanwälte vertreten eine Schadenssumme von rund EUR 2,0 Mio.

Pflichtwidrig versäumte Ad hoc Mitteilung über das Bekanntwerden der Abgasmanipulationen

In allen Fällen besitzen oder besaßen die Kläger Aktien der Porsche Automobil Holding SE und reklamieren, dass sie diese zu teuer gekauft bzw. zu billig verkauft hätten, weil die Porsche Automobil Holding SE es pflichtwidrig versäumt hätte, eine sog. Ad hoc Mitteilung über das Bekanntwerden der Abgasmanipulationen bei der Volkswagen AG zu veröffentlichen. Die Porsche Automobil Holding SE ist eine reine Holding und selbst kein Automobilhersteller, sie hält jedoch 52% der Stimmrechte an der Volkswagen AG. Ihr ehemaliger Vorstandsvorsitzender Dr. Martin Winterkorn war auch Vorstandsvorsitzender bei der Volkswagen AG. Im September 2015 veröffentliche die Volkswagen AG eine Ad hoc Mitteilung und räumte ein, in Teilen ihrer Dieselfahrzeuge ein Abgasmanipulationssystem verbaut zu haben. Der Volkswagen AG wird seitdem vorgeworfen, pflichtwidrig nicht rechtzeitig und früher hierüber informiert zu haben. Die Volkswagen AG selbst wird von Teilen ihrer Aktionäre überwiegend am Landgericht Braunschweig verklagt. Die Aktionäre der Porsche Automobil Holding SE sind der Auffassung, dass auch ihre Gesellschaft in der Vergangenheit die Pflicht besessen hätte, eine solche Mitteilung zu veröffentlichen. Sie behaupten, dass Herr Dr. Winterkorn als Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG frühzeitig Kenntnis von den Manipulationen hatte und deshalb als Vorstandsvorsitzender der Porsche Automobil Holding SE verpflichtet gewesen wäre, diese Kenntnis zu verwerten und den Kapitalmarkt zu informieren.

Zwei Musterverfahren zur sog. Dieselaffäre

Das Landgericht beabsichtigt in Kürze sog. Musterverfahrensanträge bekannt zu machen und diese dem OLG Stuttgart zur Entscheidung nach dem Kapitalanger-Musterverfahrensgesetz vorzulegen. Aller Voraussicht nach wird es deshalb in Deutschland erstmals zwei Musterverfahren geben, die sich mit einer Angelegenheit (hier sog. „Dieselaffäre“) befassen werden. Das Verfahren gegen die Volkswagen AG ist derzeit etwas weiter, könnte aber vom Stuttgarter Verfahren schnell überholt werden, da das Stuttgarter Landgericht sich auf die „derzeit entscheidugserheblichen Rechts- und Tatsachenfragen“ konzentrieren will und in einem ersten Schritt erheblich weniger Musterverfahrensanträge an sein Oberlandesgericht adressieren will. Zur Entscheidung berufen wird der dortige neunte Zivilsenat sein, der in der Vergangenheit oft im Verhältnis Bank-Anleger sich für die Kundenseite stark gemacht hat. Gerüchteweise hatte die Emittentenseite auf eine andere Zuständigkeit am OLG Stuttgart spekuliert. Bereits in der jetzigen Situation am Landgericht hat die Zuständigkeit des Einzelrichters der 22. Zivilkammer, Dr. Fabian Reuschle, zumindest für Interesse gesorgt. Dr. Reuschle ist als staatlich geprüfter Börsenhändler und ehemaliger Referent des Bundesjustizministeriums für Bank- und Börsenrecht und Fachbuchautor ein ausgewiesener Kenner des Kapitalmarktes. Als solcher weiß er u.a. um die Bedeutung sog. Insiderinformationen für einen sauberen und funktionierenden Kapitalmarkt, wird sich aber auch von Anlegerseite keine unrealistischen Szenarien einreden lassen. Jedenfalls wurde am Freitag überdeutlich, dass das Gericht nicht nur gut vorbereitet war und einen klaren Plan hat. Beide Parteien wurden völlig unvoreingenommen und respektvoll auf bisherige Schwächen in der Argumentation und Darlegung und die vorläufige Einschätzung des Gerichts hingewiesen. Das Gericht sieht als derzeit entscheidungserheblich an,

  • ob eine Finanzholding wie die Porsche Automobil Holding SE über publizitätspflichtige Vorgänge in einer ihrer Finanzbeteiligungen selbst berichten muss, es also eine Duplizität der Berichtspflicht (Volkswagen AG und Porsche Automobil Holding SE) gibt. Zu dieser Frage gibt es weder obergerichtliche noch höchstrichterliche Rechtsprechung. Falls eine solche Pflicht bejaht würde, stellt sich im Anschluss die Frage, ob die Porsche Automobil Holding SE überhaupt im Hinblick auf die eigene Lage betroffen wäre. Dies sähe das Gericht derzeit z.B. dann, wenn wegen der Dieselaffäre bei der Porsche Automobil Holding SE Wertberichtigungen notwendig würden, oder eine regelmäßig gezahlte Dividende wegfiele;
  • ob eine Wissenszurechnung kraft Doppelvorstandsmandat stattzufinden hat. Dabei muss untersucht werden, ob ein Wegfall einer grundsätzlichen Verschwiegenheitspflicht des Vorstandes im vorliegenden Fall  angenommen werden kann und daraus quasi eine  „Redepflicht“ wird.

Informationspflichten bestandsgefährdende Risiken

Nach Einschätzung des Verfassers, Rechtsanwalt Matthias Schröder, sind diese Fragen im Sinne der Anleger zu beantworten, vor allem wenn die Behauptung der Kläger zutrifft,  nachdem die Porsche Automobil Holding SE und Volkswagen AG eine bilaterale Vereinbarung getroffen haben, sich gegenseitig über jeweils bestandsgefährdende Risiken in der jeweiligen Gesellschaft zu informieren.

LSS Rechtsanwälte unterhalten ein kapitalmarktrechtliches Dezernat. Für geschädigte Anleger wurden Klagen gegen die Volkswagen AG und die Porsche Automobil Holding SE eingereicht.  Ansprechpartner für Klagen im Zusammenhang mit der Dieselaffäre ist Rechtsanwalt Matthias Schröder.

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