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Haftung der Bank wegen pflichtwidriger Empfehlung von Schiffsfonds

In Kürze erscheint eine Urteilsbesprechung von Rechtsanwalt Matthias Schröder im jurisPraxisReport BKR zu einer anlegerfreundlichen Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main (LG Frankfurt, 21. Zivilkammer, Urteil, 16.11.2012, 2-21 O 40/11)

Der Entscheidung des LG Frankfurt am Main lag der Fall einer Klägerin zugrunde, die einen sogenannten Schiffsfonds gezeichnet hatte. Die Klägerin reklamierte unter anderem, dass sie über die im Zusammenhang mit der Empfehlung gezahlten Vertriebsprovisionen nicht auf-geklärt worden war.
Obwohl zwischen der Klägerin und der beklagten Bank ein genereller Vermögensverwal-tungsvertrag existierte, griff das Landgericht für die streitgegenständlich zu beurteilende Empfehlung auf den Anlageberatungsvertrag zurück. Dies ist gut nachvollziehbar, da der Vermögensverwalter grundsätzlich eine Dispositionsbefugnis und damit eine eigenständige Handlungsmöglichkeit besitzt – ohne vorher Rücksprache mit dem Anleger zu halten (vgl. Schröder/Brettel, Der neue Anlegerschutz in der Praxis, S. 55 Rn. 67). Im besprochenen Streitfall sah die Bank – ausgestattet mit einem entsprechenden Verwaltermandat – offen-sichtlich bereits Anlass, von ihrer Dispositionsbefugnis keinen Gebrauch zu machen, sondern vielmehr zunächst eine Empfehlung auszusprechen und zusätzlich noch in einem Gespräch weitere Informationen zu vermitteln. Hinzu kommt, dass der Anlageberatungsvertrag ein aliud zum Vermögensverwaltungsvertrag ist; beide können nebeneinander stehen.
Das Landgericht stellte sodann ausführlich die Voraussetzungen für das konkludente Zu-standekommen eines Anlageberatungsvertrages anhand der höchstrichterlichen Rechtspre-chung dar, um nach der Beweisaufnahme auch den E-Mail-Verkehr zwischen der beklagten Bank und dem Sohn der Klägerin zu würdigen. Nach der Feststellung des Landgerichts lag ein sog. Stellvertretungsfall vor, bei dem die Klägerin im Beratungsgespräch von ihrem Sohn vertreten worden sei. Da die Beklagte nach dem Gespräch mit dem Vertreter den Zeich-nungsschein unmittelbar an die Klägerin sandte, war hinreichend klar, dass bei Annahme des Angebots durch die Klägerin die Informationen ausschlaggebend waren, die die Beklagte über den Vertreter der Klägerin zuteilwerden ließ (vgl. zu den Stellvertretungskonstellationen im Rahmen der Anlageberatung Schröder/Brettel, Der neue Anlegerschutz in der Praxis, S. 51 Rn. 56) . Dem von der Beklagten ergänzend ins Feld geführten Argument, dass diese im Zeitpunkt des Beratungsgespräches noch nicht wusste, in welcher Höhe sich die Klägerin zu beteiligen beabsichtigte, verweigerte das Landgericht richtigerweise die Anerkennung.
Bei der Untersuchung der gerügten Pflichtverletzung ging das Landgericht auf den Angriff der Klägerin bezogen auf die sog. Rückvergütungen ein. Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des BGH ist eine Bank aus dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, über die von ihr vereinnahmten Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind – regelmäßig umsatzab-hängige – Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie z.B. Ausgabeaufschlä-gen und Verwaltungsgebühren gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser An-lage nicht erkennen (unter Verweis auf BGH, Urt. v. 08.05.2012 – XI ZR 262/10 Rn. 17). Un-streitig wurde im vorliegenden Fall weder mündlich noch schriftlich über gezahlte Rückvergü-tungen (hier: 11,7%) aufgeklärt. Insbesondere wurde die Beklagte im Prospekt nicht als „Empfängerin“ solcher Rückvergütungen genannt, weshalb das Landgericht zutreffend von einem entsprechenden Aufklärungsmangel ausging.
Im Rahmen der Kausalität stellte das Landgericht zunächst auf die „Vermutung aufklärungs-richtigen Verhaltens“ ab. Steht eine Aufklärungspflichtverletzung fest, streitet für den Anleger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, die zu einer Beweislastumkehr führt. Der Aufklärungspflichtige muss beweisen, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei ord-nungsgemäßer Aufklärung erworben hätte, weil er den richtigen Rat oder Hinweis nicht be-folgt hätte (BGH, Urt. v. 08.05.2012 – XI ZR 262/10).
Diesen Beweis hatte die Beklage nicht erbracht. Die Klägerin hatte nämlich bereits im Rah-men ihrer persönlichen Anhörung erklärt, dass sie dann, wenn sie gewusst hätte, dass die Beklagte Vergütungen erhält, wahrscheinlich die Beteiligung nicht unterzeichnet, sondern eine andere Lösung gesucht hätte. Die Beklagte hatte für den ihr obliegenden Beweis die Parteivernehmung der Klägerin beantragt. Für eine solche zusätzliche förmliche Vernehmung sah das Landgericht vor dem Hintergrund der persönlichen Anhörung der Klägerin keine Veranlassung. Eine solche käme nach Auffassung des Landgerichts einer reinen Aus-forschung gleich, da die Beklagte keinerlei weitere Umstände vorgetragen habe, die eine andere Entscheidung der Klägerin nahe gelegt hätten.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung der seit Jahrzehnten auf das Bankrecht spezialisierten 21. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main ist durchaus bemerkenswert. Urteile am Bankplatz Frankfurt am Main über den Vertrieb von Schiffsfonds durch Großbanken sind relativ selten. Dies dürfte den Hintergrund haben, dass es bis in das Jahr 2007 alles andere als üblich war, über die in aller Regel verhältnismäßig hohen Zuwendungen mündlich oder gar schriftlich aufzuklären; außerdem wollten die beklagten Kreditinstitute eine weitere und fortgesetzte anlegerfreundli-che Rechtsprechung vermeiden und boten regelmäßig akzeptable Vergleiche an. Insofern war durchaus von Interesse, wie die 21. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main die Recht-sprechung des BGH – insbesondere des XI. Zivilsenats – auf Schiffsfonds entsprechend umsetzen würde.
Das Landgericht lässt – dogmatisch korrekt, da ja eine einzige Pflichtverletzung für die Statt-gabe der Klage genügt – die Chance aus, bereits im Rahmen der „anlegergerechten Bera-tung“ den Charakter eines Schiffsfonds im Hinblick auf dessen Risiken zu bewerten. Auf-grund des unternehmerischen Charakters von Schiffsfonds und der steigenden Anzahl von Insolvenzen können entsprechende Angriffe bei eher risikoaversen Anlegern Ansprüche be-gründen. So hat das OLG Köln bereits am 23.12.2011 (I-20 U 167/11) entschieden, dass es sich bei einem geschlossenen Immobilienfonds um eine spekulative Anlageform handelt. Für einen Schiffsfonds kann nichts anderes gelten. Einem Anleger mit dem Anlageziel Altersvor-sorge darf diese Anlageform daher nicht empfohlen werden (so auch LG Frankfurt am Main, Urt. v. 02.01.2013 – 2-25 O 344/11).
Interessant ist die Umsetzung der neuen BGH-Rechtsprechung zur Kausalität. Mit seiner Entscheidung vom 08.05.2012 (XI ZR 262/10) hatte der BGH nicht nur das „Tatbestands-merkmal“ des fehlenden Entscheidungskonflikts aufgegeben, sondern auch praxisrelevante Maßstäbe für die notwendige Substantiierung des Sachvortrags bezüglich des Beweisantritts aufgestellt. Offensichtlich hatte die Beklagte vorliegend keine ausreichenden Indizien vortra-gen können, die für eine weitere förmliche Vernehmung der Klägerin zur Kausalität ausge-reicht hätten. Dem Vortrag der Beklagten, dass die Klägerin aufgrund einer Rahmenverein-barung zu Wertpapiergeschäften grundsätzlich über Zuwendungen an die Bank informiert war, konnte das Landgericht unter Verweis auf das Urteil des BGH vom 08.05.2012 (XI ZR 262/10) und auf den Beschluss des BGH vom 19.07.2011 (XI ZR 191/10) die Relevanz in Bezug auf geschlossene Beteiligungen (die eben keine Wertpapiere sind) absprechen.

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