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BGH verhandelt am 12. April 2011 erstmals über Lehman-Zertifikate

Am 12.04.2011 finden vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe die ersten mündlichen Verhandlung über „Lehman-Zertifikate“ statt. Bei dem unter Aktenzeichen XI ZR 85/10 beim BGH geführten Verfahren geht es um die von LSS Rechtsanwälte erstrittenen Entscheidungen des LG Frankfurt am Main – Urteil vom 31. August 2008 – 2-19 O 287/08 und OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 17. Februar 2010 – 17 U 207/09 (veröffentlicht WM 2010, 613) zu sog. „Twin-Win-Zertifikaten“ (auch Schmetterlingszertifikate genannt) des Emittenten Lehman Brothers. Im Kern sind jedoch auch zahlreiche andere Zertifikate von Lehman Brothers betroffen, die die Tilgungsvariante „Ersatzzertifikat“aufweisen.

Es stehen insgesamt am 12.04.2011 zwei Verfahren vor dem XI. Senat des BGH zur Verhandlung an, die „Lehman-Zertifikate“ zum Gegenstand haben und die im Zuge der Insolvenz der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 weitgehend wertlos geworden sind.

Aus der offiziellen Pressemitteilung des BGH

„Es handelt sich dabei um die ersten Verfahren aus diesem Themenkomplex, die der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu verhandeln hat.

-XI ZR 85/10-

Die Klägerin nimmt die beklagte Sparkasse aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der niederländischen Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Holdings Inc. in Anspruch.

Am 23. August 2007 rief ein Mitarbeiter der Beklagten den Ehemann der Klägerin in dessen Büro an und empfahl ihm die in seinem Depot befindlichen, in kleinen Stückzahlen gehaltenen Aktien zu verkaufen und von dem Erlös „Twin-Win-Zertifikate 8/2007“ der Emittentin Lehman Brothers Treasury Co. B.V. zu erwerben. Am Ende des Telefongesprächs, dessen Inhalt im Einzelnen streitig ist, erteilte dieser der Beklagten den Auftrag, sieben der empfohlenen Zertifikate zum Nennwert von jeweils 1.000 € für ihn zu erwerben. Diese Zertifikate sind an die Wertentwicklung des Dow Jones Eurostoxx 50-Index gebunden. Nach Ablauf des fünfjährigen Beobachtungszeitraums wird das Zertifikat zum Nominalwert zuzüglich der absoluten Wertentwicklung des Index zurückbezahlt und zwar unabhängig davon, ob die Wertentwicklung positiv oder negativ verlaufen ist. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Index während des gesamten Beobachtungszeitraums nicht auf 50% des Indexstandes zum 24. August 2007 absinkt oder diese Barriere unterschreitet. Tritt dies ein, so wird dem Anleger zum Laufzeitende kein Barbetrag ausgezahlt, sondern ein Ersatzzertifikat geliefert, das an der Wertentwicklung des Dow Jones Eurostoxx 50-Index teilnimmt und eine Laufzeit bis zum Jahr 2057 hat. Dieses Ersatzzertifikat hätte von der Emittentin ab dem Jahr 2014 jährlich gekündigt werden können, worauf der Ehemann der Klägerin nicht hingewiesen wurde.

Mit Insolvenz der Emittentin und der Investmentbank Lehman Brothers, die für die Rückzahlung der Zertifikate die Garantie übernommen hatte, wurden die erworbenen Zertifikate weitgehend wertlos. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin – gestützt auf mehrere Beratungsfehler – die Rückzahlung von 7.000 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübertragung der sieben Lehman-Zertifikate.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat zwar eine Beratungspflichtverletzung insoweit verneint, als die Beklagte nicht auf eine mögliche Insolvenz der Emittentin (Lehman Brothers Treasury Co. B.V.) oder der Garantin (Lehman Brothers Holdings Inc.) hingewiesen hat. Angesichts der positiven „Ratingnoten“, die die Emittentin bis fast zur Insolvenz gehabt habe, habe kein Zweifel an ihrer Zahlungsfähigkeit aufkommen müssen. Einen Beratungsfehler hat das Berufungsgericht jedoch darin gesehen, dass die Beklagte den Ehemann der Klägerin nicht darüber aufgeklärt hat, dass die Ersatzzertifikate, die der Anleger erhält, wenn die 50%-Barriere des Index während des Beobachtungszeitraums erreicht oder unterschritten wird, ab dem Jahr 2014 von der Emittentin gekündigt und fällig gestellt werden können. Durch diesen fehlenden Hinweis habe beim Anleger der unzutreffende Eindruck entstehen können, er könne zwischenzeitliche Kursverluste der bis zum Jahr 2057 laufenden Zertifikate „aussitzen“.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter

– XI ZR 294/10 –

LG Frankfurt am Main – Urteil vom 8. Dezember 2009 – 2-26 O 135/09

OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 14. Juli 2010 – 17 U 11/10

Die Klägerin nimmt die beklagte Sparkasse auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der niederländischen Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Holdings Inc. in Anspruch.

Am 15. Februar 2008 rief ein Mitarbeiter der Beklagten die Klägerin an und empfahl ihr, verschiedene Posten in ihrem Depot, die sich nicht wunschgemäß entwickelt hatten, zu verkaufen und von dem Erlös „DAX-Kupon-Zertifikate 03/2008“ der Emittentin Lehman Brothers Treasury Co. B.V. zu erwerben. Am Ende des Telefongesprächs, dessen Inhalt im Einzelnen streitig ist, erteilte die Klägerin der Beklagten den Auftrag, fünfundzwanzig der empfohlenen Zertifikate zum Nennwert von jeweils 1.000 € für sie zu erwerben. Die Zinszahlungen während der fünfjährigen Laufzeit dieser Zertifikate sind an die Wertentwicklung des DAX-Index gebunden. Wenn der DAX-Index während des gesamten Zeitraums im Verhältnis zum anfänglichen Bewertungsstichtag zu keinem Zeitpunkt um mehr als 50% fällt, erhält der Anleger am Ende der Laufzeit den Nominalbetrag wieder ausbezahlt. Wird diese Barriere hingegen während des Beobachtungszeitraums einmal unterschritten, entfallen die Zinszahlungen und der Anleger erhält am Ende der Laufzeit „DAX-Zertifikate“ mit einer Laufzeit bis zum Jahr 2058. Diese Ersatzzertifikate hätten von der Emittentin vorzeitig gekündigt werden können. Über die Laufzeit der Ersatzzertifikate und das Recht der Emittentin, diese vorzeitig zu kündigen, wurde die Klägerin nicht aufgeklärt.

[…]

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Der Rechtsanwalt der Klägerin im Verfahren (OLG Frankfurt 17 U 207/09), Matthias Schröder, betont die Auswirkung der Entscheidung für zahlreiche derzeit -vor allem am Landgericht Frankfurt am Main- anhängigen Verfahren mit solchen Zertifikaten, die die Tilgungsvariante „Ersatzzertifikat“ aufweisen. Schröder selbst führt aktuell Prozesse im Zusammenhang mit Lehman-Zertifikaten für eine dreistellige Zahl von Klägern.

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