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Frankurter Neue Presse über Prozessauftakt „Lehman-Zertifikate“

Noch ist ihr Geld weg. Aber die Chance, es wiederzubekommen, ist gestern gestiegen. Fast 80 Lehman-Anleger haben nach einer Verhandlung vor dem Landgericht neue Hoffnung.

Frankfurt. Wut, Enttäuschung – und auch eine Spur Hoffnung. So lässt sich die Stimmung im Landgericht gestern zusammenfassen. Fast 80 Menschen, die mit Lehman-Zertifikaten Tausende verloren haben, hatten sich eingefunden. Vor der 19. Zivilkammer ging es um einen Anleger, der die Zertifikate bei der Frankfurter Sparkasse (Fraspa) erworben hat, dem wie allen anderen von seinem Geld (7000 Euro) nichts geblieben ist. Dabei ist Marko Spänle (38) selbst gar nicht da.

Dafür war die Interessengemeinschaft der Lehman-Geschädigten dabei – saßen und standen die meist älteren Damen und Herren in dem viel zu kleinen Gerichtssaal, demonstrierten anschließend vor dem Gerichtsgebäude.

Mittendrin war Helga Steinmetz (71). 25 000 Euro haben sie und ihr inzwischen verstorbener Mann verloren. «Die Aufregung war zu viel für ihn», sagte sie mit bedrückter Stimme.

Risiko-Hinweis fehlte
Noch fünf Tage vor der Lehman-Pleite, die so viele ins Unglück stürzte, sei sie bei ihrem Fraspa-Berater gewesen. Schon da seien 8000 Euro futsch gewesen. «Einen Hinweis auf das Risiko gab es trotzdem nicht» – das Geld für einen angenehmen Lebensabend war fünf Tage später ganz weg. Dabei sei besonders ihr Mann sehr konservativ gewesen. «Gefährliche Sachen» habe er nicht gewollt. «Von einem möglichen Totalverlust war auch nie die Rede», betont Steinmetz.

Letzteres trifft auch auf Spänle zu – der Hauptgrund, warum er sein Geld zurückbekommen könnte. So ließ es jedenfalls Richter Detlef Stark gestern anklingen. Bis zu einem Urteil wird es aber noch dauern. Die Fraspa, die etwa 5000 Kunden Lehman-Zertifikate im Wert von rund 75 Millionen Euro verkauft hat, darf noch einen Schriftsatz nachreichen. Eine Entscheidung soll dann am 31. August fallen. Spänles Anwalt Matthias Schröder ist jedenfalls optimistisch – auch wenn er damit rechnet, dass die Bank im Fall einer Niederlage in Revision gehen wird. Die Fraspa selbst wollte das laufende Verfahren gestern nicht kommentieren.

«Typisches Vorgehen»
«Das Ganze kann für die Fraspa sehr teuer werden», sagte Schröder. Schließlich stehe man erst am Anfang einer Klagewelle, bei der jeder Fall einzeln betrachtet werden muss. Spänle war, so Richter Stark, einen Tag vor Ende der Zeichnungsfrist für die Papiere im Sommer 2007 von seiner Bank «aus deren Initiative» angerufen worden. Der Mitarbeiter habe dazu geraten ein kompliziertes «Twin-Win-Zertifikat» zu kaufen.

«Das Vorgehen ist gradezu typisch für die Fraspa», sagte Schröder. Während im offiziellen Prospekt das Risiko des Totalverlustes ganz am Anfang stand, sei in Beratungen darauf meist nicht hingewiesen worden. Fraspa-Anwalt Stefan Reinhart begründete dies mit einem ganzen «Blumenstrauß an Risiken», die mit dem Kauf verbunden seien. Der Totalverlust könne bei jedem Wertpapier eintreten.

Doch damit rechneten die meisten Anleger nicht. Nicht typisch für den Fall Spänle ist nämlich sein Alter. «Die meisten sind zwischen 70 und 90», sagte Anwalt Schröder, der selbst etwa 400 von ihnen vertritt. Darunter ist auch Günter Breinig (73). Er hatte 10 000 Euro angelegt. «Die haben mir das ohne Infos aufgeschwätzt, die Beratung war gleich Null», regte sich der Rentner auf. Er habe erst im März 2008 gekauft. «Bankenkreise wussten da längst, was mit Lehman los ist.» Seine Zukunftssicherung, für Krankheiten oder Unterbringung, sei weg. Den gestrigen Tag bewertet Breinig aber positiv: «Der Richter ist auf unserer Seite.» Ob er sein Geld wiedersieht? Auf jeden Fall wird es ein langer Weg. «Hier werden noch viele Schlachten geschlagen», kündigte Anwalt Schröder im Gericht an.

Frankfurter Neue Presse
Von Sebastian Semrau

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